Kopf des Tages
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Johann III. Sobieski
Seine geflügelten Panzerreiter überrannten die Türken vor Wien
Von Berthold SeewaldFreier Autor Geschichte
Veröffentlicht am 12.09.2021Lesedauer: 4 Minuten
Mit mehr als 100.000 Soldaten versuchte der osmanische Großwesir Kara Mustafa 1683 Wien zu erobern. In beinahe letzter Minute trat das Heer zum Angriff an. Die Entscheidung brachte die schwere polnische Kavallerie.
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Polen glich im 18. Jahrhundert einem Spielball seiner Nachbarn, die am Ende das Königreich einfach von der Landkarte tilgten. Übersehen wird dabei leicht, dass das Land zuvor über Jahrhunderte hinweg nicht nur der größte Staat Europas gewesen war, sondern zudem die Hegemonialmacht im Osten des Kontinents. Das verdankte Polen-Litauen nicht zuletzt seiner berühmten Kavallerie, der Hussaria, der am 12. September 1683 unter König Johann III. Sobieski ihr größter Sieg gelang.
Mit Johann III. war 1674 in Polen ein Mann zum König gewählt worden, der noch in der Lage war, die Rolle des Herrschers gegen den Adel zur Geltung zu bringen. Als Mitglied einer der reichsten Familien des Landes hatte er eine umfassende Ausbildung genossen und bereits früh sein militärisches Talent gezeigt. Mit 36 Jahren war er Feldhetman der polnischen Krone, drei Jahre später als Großhetman Oberkommandierender der polnischen Armee – und mit 44 Jahren selbst König
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Deren wichtigste Truppe war die Hussaria. Im Gegensatz zur leichten Kavallerie der Husaren handelte es sich dabei um eine schwer gepanzerte Schlachtenreiterei, die mit langen Lanzen und Säbeln ausgerüstet war und deren Schockangriffe gefürchtet wurden. Ihr Markenzeichen waren Flügelverzierungen, die an Sätteln oder auf dem Rücken angebracht wurden. Allerdings handelte es sich nicht um ein stehendes Heer, sondern wurde vom Adel im Fall eines Krieges gestellt. In den Weiten Ost- und Südosteuropas hatte sich die hoch mobile Truppe gegen Russen, Krim-Tataren oder Osmanen wiederholt ausgezeichnet, während ihre Taktik gegen die gedrillten Infanterieformationen Schwedens oder Brandenburgs, die über starke Feuerkraft verfügten, veraltet wirkte.
Im Sommer 1683 erreichte Johann ein Hilferuf von Kaiser Leopold I.. Während der alles daran setzte, im Westen die Expansionspolitik Ludwigs XIV. von Frankreich zu stoppen, machte die gemeinsame Gegnerschaft gegen die Türken Habsburger und Polen zu Verbündeten. Hinzu kam, dass mehrere tatkräftige Großwesire mit durchgreifenden Reformen die Agonie des Osmanischen Reiches beendet und seine Armee wieder zu einem gefährlichen Gegner gemacht hatten. Dies sollte eine neue Großoffensive gegen Österreich beweisen.
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„Dass die Tataren gar zu abscheulich mit den Leuten umgegangen sind“
Anfang Juli wurde die kaiserliche Hauptstadt Wien von mehr als 100.000 Türken eingeschlossen, denen sich Tataren und aufständische Ungarn angeschlossen hatten. Mangels schwerer Geschütze versuchte Großwesir Kara Mustafa, mit einem Minenkrieg die modernisierten Verteidigungsanlagen, die von nur 16.000 Soldaten und Milizen verteidigt wurden, zum Einsturz zu bringen. In der Zwischenzeit konnte Karl von Lothringen mit dem kaiserlichen Heer die Region nördlich der Donau halten, bis Verbündete zu ihm stießen.
Das waren Kontingente aus Sachsen, Bayern und Braunschweig-Lüneburg. Doch die wichtigsten Helfer wurden Johann III. und seine Hussaria. Der König hatte gar nicht abgewartet, bis seine Aufgebote vollständig versammelt waren, sondern er stieß mit 21.000 Reitern zu Karl. Zusammen konnten sie 65.000 Mann aufbieten, darunter gut 30.000 Kavalleristen. Am 11. September bezogen sie ihre Stellungen auf den Höhen des Wiener Waldes nordwestlich von Wien.
Kara Mustafa wusste um das Anrücken des Gegners. Statt aber Feldbefestigungen zu errichten, schickte er weiter seine besten Truppen zu Sturmangriffen gegen die schwer angeschlagenen Verteidiger der Stadt. Als die Verbündeten ihren Angriff eröffneten, standen daher nur etwa 70.000 Türken zur Abwehr bereit.
In drei Kolonnen drangen die Verbündeten vor, die kaiserlichen auf dem linken Flügel, die Reichstruppen im Zentrum, die Polen rechts. Diese brauchten am längsten, um ihre Angriffspositionen auf dem Kahlenberg einzunehmen. Doch ihre Attacke zerbrach die osmanischen Linien. Die Hussaria erbeuteten das Hauptquartier des fliehenden Großwesirs mit all seinen Schätzen, darunter „große Summen Geldes, kostbare Juwelen, gewaltige Mengen Lebensmittel“. In seiner vielbändigen „Geschichte des Osmanischen Reiches“schreibt Nicolae Iorga: „Fast alle Geschütze und viele Fahnen wurden erbeutet.“
Als Befreier wurde Johann von den erschöpften Wienern begrüßt, während „die Kälte“ des zurückkehrenden Kaisers „allgemeines Missvergnügen“ hervorrief. Dennoch sollte sich der Habsburger als eigentlicher Nutznießer des Sieges erweisen. Seine Truppen gingen anschließend – zeitweise von Johann unterstützt – in die Offensive und gewannen weite Teile Ungarn zurück. Die Karten auf dem Balkan wurden von nun an neu gemischt.
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Dieser Artikel wurde erstmals im September 2021 veröffentlicht.